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 Markt-Sprache 

 

Vorwort
Bei der Nachbildung mittelalterlichen Daseins für Publikum wird inzwischen sehr genau darauf geachtet, den Sinnen einen möglichst authentischen Vergangenheits-Genuß zu bieten: Dem Auge wird gar vieles dargetan, das so schon lange nicht mehr üblich ist, während ihm der Anblick "neuerer" Materialien und Erfindungen meistenteils erspart bleibt. Der Gaumen erfreut sich an lang verschollenen Rezepturen. Um die Nase wehen zumindest einige Wohl- und Arbeitsgerüche (während die eigentlich höchst 'authentischen' Fäkaldünste diskret mit sehr modernen Methoden vermieden werden). Auch ans Ohr ward gedacht, und so bieten verschiedenste Kunstschaffende manches Stücklein alter Musik (oder was sie dafür halten) dar. Selbst die Füße erleben Stroh statt Asphalt und damit ein ungewohntes Daseinsgefühl. Wer heutige Mittelalter-Märkte besucht, hebt heimelig an, die eigene Epoche für eine erträglich kurze Frist zu verlassen.
Doch ach, beim Ohre endet oftmals jäh die Zeitreise, sobald es sich aus den handwerklichen Geräuschen und musischen Klängen löst und dem Gewirr der Stimmen lauscht. Weiter links verkündet ein Gaukler: "Okay, jetzt kommt ein echt schwieriger Trick.", während die Händlerin vor mir wahrheitsgemäß antwortet: "Das kostet achtfuffzich der Meter." Allen anderen Sinnen trotzend, weiß das Gehör sich zweifelsohne fest verankert in der Gegenwart, und es findet binnen Stundenfrist noch allerlei Anlaß mehr, sich des Kalenders stets aufs Neu gänzlich gewiß zu sein.
Zugegeben: Wenn sich alle Akteure nur noch in Mittelhochdeutsch unterhielten (erstaunlich viele könnten das sogar), kämen im Kreise des erlauchten Publikums nur vereinzelte Hochgebildete, einige wenige "Nordlichter" und ein paar zufällig anwesende Finnen oder Niederländer noch halbwegs mit. Der Rest verstünde nicht einmal "Bahnhof" (den gab's ja bekanntlich noch nicht).
Wie so manches, läßt sich auch dieses dialektische Dilemma auf verschiedene Art lösen, und die Geschichte zeigt uns, daß es durchaus mehrere "richtige" Wege nebeneinander geben kann.
 
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Hajo Dreyfuß
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