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 Markt-Sprache 

 

Lese-Futter
Wir kennen bereits manch "altbackenes" Wort und einige "altertümliche" Redewendungen, und wir wissen sofort deren Bedeutung, sobald wir derlei hören oder lesen. Diesen verstaubten Schatz alter Klänge also gilt es ans Licht zu heben und unserer alltäglichen Umgangssprache einzuverleiben. Doch wo sollen wir beginnen? Die trauten Worte ruhen friedlich bei den Kinderträumen, weit unter neueren, welche uns täglich umgeben.
 
Der erste und einfachste Weg ist der Griff zu einer "besseren" Tageszeitung. Dort, im Feuilleton, sind Theaterkritiker allwöchentlich bemüht, in alten Worten zu schwelgen, weil sich das so schön gebildet liest. Kaum einer, der je auf das Wörtchen "weiland" verzichtet, wo er ebensogut "damals" schreiben könnte. Die eine oder andere Verwendung zum eigenen Zweck mag sich hier bereits finden.
Der nächste Weg führt uns durch die Bücherregale der gesamten Familie: Dort stehen hoffentlich noch die alten Märchenbücher. Was wir suchen, sind die "Kinder- und Hausmärchen" der Gebrüder Grimm. Am Besten in Fraktur. Je älter, desto besser. Nötigenfalls hilft auch ein Streifzug durch Antiquariate. In den neueren Ausgaben ist die Sprache leider dem neuen Gebrauch angepaßt, was ihren Wert für uns empfindlich schmälert. Immerhin gibt es im Reclam-Verlag eine dreibändige gebundene Ausgabe, die eine noch ziemlich althergebrachte Sprache verwendet. Übrigens eignen sich die weniger bekannten Märchen besser für unsere Suche, da sie seltener überarbeitet wurden.
Als Fundgrube für verwertbare Formulierungen älteren Stils erweisen sich durchaus auch die Gedichte und Balladen von Goethe und Schiller. Kompliziertere Varianten bieten die gängigen Übersetzungen der Werke von Shakespeare im preisgünstigen Reclam-Verlag. Auch hier harrt manches erkennbare alte Wort der Wiedererweckung. Und wer es wirklich kompliziert mag, widme sich dem "Simplicissimus" von Grimmelshausen. Der ist zwar mit dem Sujet der 'Landsknechtzeit' durchaus am hinteren Ende des Mittelalters anzusiedeln und strotzt nur so vor Latinisierungen, aber auch er bietet uns ein reichhaltiges Füllhorn altbekannter Worte, die wir noch kennen und unserer Zunge wiederanvertrauen könnten.
Eine weitere Quelle findet sich ausgerechnet im Bereich "Comic": Die Bildergeschichten von Prinz Eisenherz bieten einen reichen Schatz an Formulierungen und Redewendungen, die schon seit geraumer Zeit nicht mehr zur geläufigen Alltagssprache gehören. Überdies sind die Zeichnungen sehr nahe am historischen Vorbild gehalten und verraten uns viel über Kleidung, Waffen und Alltagsgegenstände. Ganz nebenher bieten uns diese Schmöker noch manche brauchbare Information, und zu guter Letzt unterhalten sie auch noch auf leichte Art.
Angewandte Marktsprache findet sich übrigens oftmals in den Internet-Präsentationen von Marktleuten. Besonders interessant für unsere Zwecke ist der Verein 'Die Legende'. Der dortige "Weberknecht der magisch innenbeleuchteten Heimeligen Pergamente" hat gar vieles verwendet und um einige erstaunliche Neuschöpfungen erweitert. Zwar sind die Seiten sehr opulent, aber dafür gibt es auch eine puristische Text-Version sowie eine Download-Version (ca. 30 MB) zum Offline-Lesen.
Am Besten allerdings sind wir wohl beraten, wenn wir uns direkt dem guten alten Doktor Martin Luther zuwenden. Auch hier gilt: Je älter das Buch, desto besser für uns. Besondere Empfehlung verdienen die Tischreden. Hier ist alles beisammen, was wir benötigen: alte Worte, Redeweisen, kleine sprachliche Versatzstücke zuhauf, die wir in unsere Sprechweise nach und nach einflechten können. Alles entspricht dem mündlichen Sprachgebrauch, wie er zu Luthers Zeiten üblich war. Hier laufen wir am wenigsten gefahr, uns in verstiegener Schriftsprache zu ergehen.
 
Wer jemals eine "Biblia Germanica" deselben Doktors Martin Luther (Letzthand-Ausgabe 1545) vorzulesen versuchte, wird vermutlich begreifen, weshalb diese literarischen Hinweise eher an der Oberfläche bleiben. Immerhin geht es hier nicht um ein Studium der Germanistik, sondern um möglichst schnell und leicht erlernbare Fertigkeiten.
 
Hier noch einmal die erwähnten Quellen im Überblick:
Theaterkritiken
Gebrüder Grimm: "Kinder- und Hausmärchen"
Goethe, Schiller: Gedichte und Balladen
Grimmelshausen: Simplicissimus
Prinz Eisenherz (Comic)
Die Legende: angewandte Marktsprache
Martin Luther: Tischreden
 
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Hajo Dreyfuß
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